Es ist zum Weinen. Seit Jahrzehnten diskutieren wir darüber, dass Kinderarbeit ein Unding ist. Und trotzdem findet sie statt. Leo Frühschütz hat einen ausführlichen Artikel über das Thema die Kakaoindustrie betreffend publiziert. Schokoholics sollten ihn lesen – aber auch jeder, der sich fragt, warum der Weg zu echter Nachhaltigkeit so mühsam ist.
„Am 19. September gibt es nichts zu feiern. An diesem Tag jährt sich zum 20. Mal das Versprechen der wichtigsten Vertreter der Schokoladenindustrie, Kinderarbeit beim Kakaoanbau bis 2005 zu beenden … Stattdessen hat die Kinderarbeit in Ghana und in der Elfenbeinküste, den heidenwichtigsten Kakao produzierenden Ländern, in den letzten Jahren wieder zugenommen.“
Woran liegt’s? Die Kakao erzeugenden Kleinbauern bekommen zu wenig Geld. Sie können sich keine Erntehelfer leisten. Also „müssen“ die Kinder ran.
Frühschütz sagt: „Gerade mal eine Handvoll Konzerne kaufen weltweit 5,5 Millionen Kleinbauern Kakaobohnen ab“ – um Schokolade herzustellen. „Das Institut Südwind hat ermittelt, dass die sechs Konzerne Mars, Mondelez, Nestlé, Ferrero, Meiji und Hershey zusammen drei Viertel des weltweiten Schokoladenmarkts kontrollieren. … „Diese Marktmacht entlang der Lieferkette hat dazu geführt, dass vom durchschnittlichen Preis einer Tafel Schokolade nur sechs Prozent an die Kakaobauern gehen“.
Im empfohlenen Artikel werden den niedrigen Löhnen die hohe Gewinne der Konzerne gegenübergestellt, möge sich jeder selbst ein Bild davon machen. Die aktuelle Ausgabe von Schrot & Korn ist in jedem gut sortierten Bioladen erhältlich.
Gerne berichte ich zum gleichen Thema auch darüber, dass ich derzeit anlässlich einer zu entwickelnden Nachhaltigkeitsstory mein Wissen über das Kakao-Business enorm vertiefen darf: Ich bin im Gespräch mit Christine und Mary Luger, die selbst Kakao von kleinen Kooperativen kaufen – und dafür auch sehr faire Preise zahlen.
Die beiden Frauen, Mutter und Tochter übrigens, sind um die halbe Welt gereist, haben wertvolle Kontakte mit Bauern geknüpft und sind mittlerweile absolute Insider in punkto Weltmarkt und Kakaoqualität. Sie haben Wissensschätze über den gesundheitlichen Wert guter Kakaobohnen zusammengetragen, können erklären, dass Kakao bei angemessener Handhabung so vielfältige Aromen entwickelt wie guter Wein und kennen die internationale Schokoladenindustrie in all ihren – oft üblen – Facetten.
Ich lerne gerade, welche Wachstumsbedingungen Kakao benötigt (er ist keine Pflanze für Plantagenanbau und große Maschinen) und warum das Rösten mindere Qualität vertuscht, obendrein den gesundheitlichen Wert der Bohne zerstört. Ich erfahre, wie achtlos und schädigend die Bohnen verpackt und verschifft werden, wie weit die Einkäufer an der Kakaobörse von der Lebensrealität der Bauern entfernt sind – und was das Gros der beliebten Markenschokoladen von wirklich guten Kakaoprodukten unterscheidet. Fair Trade ist ein Aspekt von Qualität, Produktqualität ein anderer. Wussten Sie beispielsweise schon, dass „Chocolatier“ in Deutschland kein geschützter Begriff ist, sondern als freies Schmuckstück von jedem genutzt werden darf?
Im Münchner „House of Cacao“ bieten Christine und Mary Luger rohe Kakaobohnen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien aus unterschiedlichen Anbaugebieten an. Man kann sie lutschen, zerbeißen oder kleingehackt ins Müsli kippen. Vor allem kann man dort mehr über den Zusammenhalt in unserer Welt – und sein Gegenteil – erfahren.
Mein Tipp: https://cacaocollectors.de
Coming soon: https://www.houseofcacao.de