Der lange Weg vom Versprechen zur Wirklichkeit

Sehr lesenswerter Beitrag in Schrot & Korn 09/2021

Es ist zum Weinen. Seit Jahrzehnten diskutieren wir darüber, dass Kinderarbeit ein Unding ist. Und trotzdem findet sie statt. Leo Frühschütz hat einen ausführlichen Artikel über das Thema die Kakaoindustrie betreffend publiziert. Schokoholics sollten ihn lesen – aber auch jeder, der sich fragt, warum der Weg zu echter Nachhaltigkeit so mühsam ist.

„Am 19. September gibt es nichts zu feiern. An diesem Tag jährt sich zum 20. Mal das Versprechen der wichtigsten Vertreter der Schokoladenindustrie, Kinderarbeit beim Kakaoanbau bis 2005 zu beenden … Stattdessen hat die Kinderarbeit in Ghana und in der Elfenbeinküste, den heidenwichtigsten Kakao produzierenden Ländern, in den letzten Jahren wieder zugenommen.“

Woran liegt’s? Die Kakao erzeugenden Kleinbauern bekommen zu wenig Geld. Sie können sich keine Erntehelfer leisten. Also „müssen“ die Kinder ran.

Frühschütz sagt: „Gerade mal eine Handvoll Konzerne kaufen weltweit 5,5 Millionen Kleinbauern Kakaobohnen ab“ – um Schokolade herzustellen. „Das Institut Südwind hat ermittelt, dass die sechs Konzerne Mars, Mondelez, Nestlé, Ferrero, Meiji und Hershey zusammen drei Viertel des weltweiten Schokoladenmarkts kontrollieren. … „Diese Marktmacht entlang der Lieferkette hat dazu geführt, dass vom durchschnittlichen Preis einer Tafel Schokolade nur sechs Prozent an die Kakaobauern gehen“.

Im empfohlenen Artikel werden den niedrigen Löhnen die hohe Gewinne der Konzerne gegenübergestellt, möge sich jeder selbst ein Bild davon machen. Die aktuelle Ausgabe von Schrot & Korn ist in jedem gut sortierten Bioladen erhältlich.

Gerne berichte ich zum gleichen Thema auch darüber, dass ich derzeit anlässlich einer zu entwickelnden Nachhaltigkeitsstory mein Wissen über das Kakao-Business enorm vertiefen darf: Ich bin im Gespräch mit Christine und Mary Luger, die selbst Kakao von kleinen Kooperativen kaufen – und dafür auch sehr faire Preise zahlen.

Die beiden Frauen, Mutter und Tochter übrigens, sind um die halbe Welt gereist, haben wertvolle Kontakte mit Bauern geknüpft und sind mittlerweile absolute Insider in punkto Weltmarkt und Kakaoqualität. Sie haben Wissensschätze über den gesundheitlichen Wert guter Kakaobohnen zusammengetragen, können erklären, dass Kakao bei angemessener Handhabung so vielfältige Aromen entwickelt wie guter Wein und kennen die internationale Schokoladenindustrie in all ihren – oft üblen – Facetten.

Ich lerne gerade, welche Wachstumsbedingungen Kakao benötigt (er ist keine Pflanze für Plantagenanbau und große Maschinen) und warum das Rösten mindere Qualität vertuscht, obendrein den gesundheitlichen Wert der Bohne zerstört. Ich erfahre, wie achtlos und schädigend die Bohnen verpackt und verschifft werden, wie weit die Einkäufer an der Kakaobörse von der Lebensrealität der Bauern entfernt sind – und was das Gros der beliebten Markenschokoladen von wirklich guten Kakaoprodukten unterscheidet. Fair Trade ist ein Aspekt von Qualität, Produktqualität ein anderer. Wussten Sie beispielsweise schon, dass „Chocolatier“ in Deutschland kein geschützter Begriff ist, sondern als freies Schmuckstück von jedem genutzt werden darf?

Im Münchner „House of Cacao“ bieten Christine und Mary Luger rohe Kakaobohnen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien aus unterschiedlichen Anbaugebieten an. Man kann sie lutschen, zerbeißen oder kleingehackt ins Müsli kippen. Vor allem kann man dort mehr über den Zusammenhalt in unserer Welt – und sein Gegenteil – erfahren.

Mein Tipp: https://cacaocollectors.de
Coming soon: https://www.houseofcacao.de

„Erzähl mir bloß keine Geschichten!“ Stichwort: Glaubwürdigkeit

Foto: Etienne Girardet auf unsplash.com

„Credibility“ ist die Währung erfolgreicher Nachhaltigkeitskommunikation. Das immer beliebter werdende Textformat Storytelling hat großes Potential, Glaubwürdigkeit behutsam und sorgfältig aufbauen – sofern die Erzählung zwei große Klippen umschifft:

Wird die Story als eine Abfolge unspektakulärer, aus Unternehmenssicht aber erfolgreicher Einzelmaßnahmen aufgebaut, dürften Leserinnen und Leser sie bald als zäh, ermüdend und blutleer wahrnehmen. Sie überzeugt wahrscheinlich niemanden, selbst wenn jede Aussage stimmt. Die Reaktion: „Mag ja alles richtig sein, gähn, aber mich spricht die Sache nicht an.“ Was fehlt, um Vertrauen aufzubauen? Menschlichkeit. Lebendigkeit. Charakter.

Umgekehrt: Wenn zu viele persönliche und dramatische Register gezogen werden, verwandelt sich die Erzählung in eine kleine Soap-Opera. Die Geschichte vom genialen Gründer, der seinen Jugendtraum allen Widrigkeiten zum Trotz auslebt, mag das Publikum gut unterhalten, vielleicht auch thematisch mitreißen. Aber die Glaubwürdigkeit schrumpft, wenn die präsentierte Story von einer werblichen Inszenierung nicht mehr klar zu unterscheiden ist. Was fehlt? Realismus. Selbstreflexion. Fingerspitzengefühl.

Eine gute Nachhaltigkeitsstory hält die Balance zwischen sachlichen Inhalten einerseits und authentischen, auch emotionalen Erlebnissen der beteiligten Personen andererseits. Die Erzählung darf konkret, anschaulich und sinnlich sein wie die Märchen in Tausendundeinernacht – wenn sie gleichzeitig fundiert ist wie eine professionelle Wirtschaftsnachricht.

„Credibility Gaps“ vermeiden heißt: Übertreibung vermeiden

Unternehmen, die die Herausforderung Nachhaltigkeit aus Überzeugung annehmen, schreiben die besten Geschichten durch die Arbeit, die sie täglich leisten. Sie müssen nichts erfinden, sie müssen sich nicht lustig inszenieren, sie müssen nichts hinzuerfinden. Es gibt keinen besseren Ansatz für glaubwürdige Kommunikation, als die eigene, ganz reale Nachhaltigkeitsstory freizulegen – und sie einfach zu erzählen.

Ihr Publikum wartet schon. Erzählen Sie!

Der große Auftritt in eigener Sache ist vielleicht eine schwierige Angelegenheit – vor allem für kleine, traditionelle Unternehmen ohne PR-Beratung und Redenschreiber. Möglicherweise sagen Sie sich auch „Ich weiß nicht, was die Leute wissen wollen und überhaupt: Eigenlob liegt mir nicht“? Obwohl Sie doch so viel Positives zu berichten wüssten – über konsequent ökologisch produzierte Produkte, über Projekte zur Kreislaufwirtschaft oder über die Senkung des innerbetrieblichen Ressourcen- und Energie-Verbrauchs …

Legen Sie Ihre Schüchternheit oder allzu vornehme Bescheidenheit ab. Es wäre doch wirklich schade, wenn die Welt nichts von Ihnen und Ihrem großen Engagement erfahren würde, nur weil Sie ihr nichts darüber mitteilen mögen oder glauben, es sei schon alles gesagt! Obwohl Sie tausend andere Dinge zu erledigen haben: Klettern Sie auf die Bühne und erklären Sie der Welt, warum und wie genau Ihr Unternehmen Nachhaltigkeit gestaltet.

Unsere Gesellschaft ist derzeit auf der Suche nach konkreten Ideen, die uns Wege in die Zukunft weisen. Die Regierung hat das verstanden und bringt sich mit einer Wasserstoffoffensive ins Gespräch. Europa verständigte sich auf einen „Green Deal“ und möchte als erster Kontinent klimaneutral werden. Nun kommt es auf die vielen kleinen Unternehmen an, die neue und nachhaltige Ideen haben, damit Leistungsträger sind – und eine viel größere Bekanntheit brauchen!

Steigen Sie also beherzt aufs imaginäre Podium! Packen Sie alle Ihre Trümpfe aus! Das Publikum ist neugierig und hellwach. Bessere Rahmenbedingungen wird es nicht geben! Sie müssen noch nicht einmal laut trommeln und auf den Putz hauen, sondern einfach davon berichten, wofür sie heute und zukünftig stehen. Ich kann Sie dabei unterstützen, den roten Faden und die Kernaussagen freizulegen, die Fragen potentieller Geschäftspartner und Kunden vorwegzunehmen und Ihre Story so aufzubereiten, dass sie das Publikum mitnimmt.

Veränderung liegt in der Luft. Vernetzen Sie sich!

Ein Beispiel, das zeigt, was möglich ist: Ich habe in diesem Blog bereits darüber berichtet, dass ich für Lothar Betz, einen in der Rhön ansässigen Zimmermeister, der die ökologische Dämmung mit Wellpappe erfunden hat, seine Nachhaltigkeitsstory entwickelt habe. Diese wurde für den engagierten Unternehmer zum ebenso einfachen wie wirksamen Instrument, um bundesweit mit Fachzeitschriften, Universitäten und jungen Gruppierungen wie den Architects for Future in Kontakt zu treten. Letztere sind aktuell eifrig auf der Suche nach alternativen Baustoffen – und zeigten sich am innovativen Konzept und den konkreten Lösungen des Zimmermeisters bald recht interessiert. Lothar Betz wurde eingeladen, seine Ideen vor fünfzig engagierten Zuhörern am 7. Juli 2020 im Rahmen einer Online-Konferenz vorzustellen. 

Alle kleinen und mittleren Unternehmen, die ein kluges und nachhaltiges Angebot haben, können einfache Kommunikationsmittel wie eine journalistisch aufbereitete Nachhaltigkeitsstory nutzen, um sich an ein hoch qualifiziertes und für die weitere Entwicklung relevantes Publikum zu wenden. Wenn nur ihre Idee, ihr Produkt, ihr Prozess oder ihr Engagement rund und stimmig ist, überzeugen sie durch eine authentischen Story, zu der die noch offenen Fragen genauso selbstverständlich gehören wie Zahlen und Daten – vom Patent über die Auszeichnung bis zum Kunden-Feedback. 

Welche Themen fesseln das Publikum?

Endverbraucher interessieren sich für Dinge wie baumfreies Papier, kompostierbare Verpackungen, erdölfreie Yogamatten, Hemden aus Bio-Hanf, Schuhe aus Eukalyptusfasern, Röcke aus Ananas und Flug-Treibstoff aus Abfallfetten. Unternehmer sind eher fasziniert von der Metallreinigung mit Wasser, dem Recycling alter Arzneimittel, Leder aus Kaktus, der Wassergewinnung aus Nebel, der Jeans-Herstellung mit Sauerstoffbleiche anstelle von Chemikalien, dem Einsparen von Transportkapazitäten durch Konzentrate oder Bioplastikversuche mit Fischabfällen und – kein Witz – Strom aus Urin, erzeugt von einer mikrobiellen Brennstoffzelle.

Ich habe den Traum, dass wir auf Partys, wenn es sie dann wieder geben wird, nicht nur über Leute reden, oder über das nächste Event, sondern auch über große Ideen für eine nachhaltige Zukunft. Wir könnten unser Denken in eine neue Richtung lenken, indem wir die Endlichkeit der Ressourcen zur Kenntnis nehmen und einen Kult der kreativen und nachhaltigen Innovation aufbauen. Nicht mehr höher, schneller, weiter, sondern klüger, achtsamer, nachhaltiger.

PS: Habe gerade bei Facebook via Greenpeace gelesen: „In Dresden haben Forscher mit Hilfe von Bierhefe eine Methode entwickelt, um Eisen und andere Schwermetalle aus belasteten Gewässern herauszufiltern. Erste Tests mit entsprechenden Filteranlagen sollen 2022 stattfinden. Ein weiterer Vorteil: Die Bierhefekulturen kommen von regionalen Bierbrauereien.“ Mehr davon bitte!

Was bringt mir eine eigene Nachhaltigkeitsstory?

Sichtbarkeit – da und dort, wo potentielle Kunden und Geschäftspartner sich aufhalten!

Der Zimmermeister Lothar Betz beispielsweise hat seine Nachhaltigkeitstory – über das ökologische Dämmen mit Wellpappe – an die Fachpresse im Holzbau weitergeleitet und schnell sehr viel positive Rückmeldung erhalten. Die eine Redaktion hat die Geschichte in Ausschnitten veröffentlicht, die nächste in eine kurze Meldung verwandelt, und eine weitere mochte dem Thema gleich eine ganze Seite einräumen – so die Zeitschrift BAUEN + HOLZ gerade aktuell.

Der DRW-Verlag hatte die als Word-Dokument übermittelte Nachhaltigkeitsstory von der Redaktion Holz-Zentralblatt an die hauseigenen Standards anpassen lassen und Lothar Betz um anschauliches Bildmaterial gebeten.

„Ihre Nachhaltigkeitsstory“ ist ein neues Text-Format, das sich stilistisch zwischen der wirtschaftlich informierenden Presseinformation und der erlebnisorientierten Reportage bewegt.

Das Ziel einer solchen Geschichte ist es, Leser für komplexe Themen zu begeistern und ihnen das nachhaltig handelnde Unternehmen und – wie in diesem Fall: seine ökologische Innovation bei der Wärmedämmung – ans Herz zu legen.

Meinen Originaltext für Lothar Betz können Sie gerne als Beispiel für eine individuelle Nachhaltigkeitsstory anfordern. Auf Wunsch versende ich auch meine „16 Tipps, die Nachhaltigkeitsstory zu verbreiten“. Einfach eine E-Mail senden oder anrufen!